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Schreibprozess (am Beispiel des Buches "Freizeitpark") Schritt 4: Erzählperspektive

Wie bereits in einem der Vorgängerartikel erwähnt, ist die Wiedergabe von Gedankengängen und Beobachtungen von Figuren von einer hohen Relevanz. Den größten Einfluss darauf hat die Wahl der Erzählperspektive.

 

Ich persönlich bin kein großer Fan von der reinen Ich-Erzählung, bei dem nicht nur alles aus der Perspektive einer Figur gesehen wird, sondern auch so beschrieben wird: "Ich fühlte mich schlecht und legte mich daher hin."

Quelle Bild: http://sophiakimble.com/blog/2014/11/29/alicia-kemp-writing-tip

 

Meiner persönlichen Meinung nach eignet sich für erzählerische Texte eher die sogenannte "Personale Erzählsituation". Dabei wird zwar - wie bei der Ich-Erzählung - in das Innenleben der Hauptfigur geschaut und deren Gedankengang wiedergegeben. Allerdings erfolgt dies aus einer beobachtenden Position heraus, und nicht in der Ich-Form: "Peter fühlte sich schlecht und legte sich daher hin." 

Der Text gewinnt so ein wenig an Distanz zur Figur und erlaubt etwas mehr Interpretation durch den Leser. Dies ist auch der in Romanen am öftesten benutzte Erzähl-Typus (zumindest in den Romanen, die ich lese).

 

Die "Personale Erzählsituation" kann nun auf verschiedene Ebenen gehoben werden.

  • Möchte man der Herausforderung der Wiedergabe eines Innenlebens vollständig aus dem Weg gehen, so kann man sich auf die dritte Person als Beobachter beschränken. Der Author beschreibt bloß, was er als Außenstehender beobachtet: "Peter legte sich hin." Dies beschränkt die beschreibenden Möglichkeiten aber recht stark.
  • Üblich ist dagegen, dass die Geschichte einer bestimmten Person folgt und nur das in Schriftform festgehalten wird, an welchem die Figur tatsächlich beteiligt ist. Das, was Peter nicht erlebt oder denkt, bleibt auch dem Leser vorenthalten. Diese Erzählperspektive habe ich zum Beispiel bei den Geschichten Achtbeinige Seelen und Die unglaublichen Erlebnisse des Sevy Lemmots genutzt: "Peter fühlte sich schlecht und legte sich daher hin." 
  • Komplizierter wird es, wenn man hin und wieder auf die Perspektive einer zweiten oder dritten Person wechselt. Dies kann dramaturgisch extrem wertvoll sein, um dem Leser eine Information zukommen zu lassen, welche die Hauptfigur noch nicht kennt. Damit lässt sich die Spannung relativ schnell und unkompliziert erhöhen. Diese Erzählsicht (fällt dann nicht mehr unter den personalen Erzählstil, sondern wird als auktorialer Erzählstil bezeichnet) habe ich hin und wieder bei Flimmernde Schatten verwendet. Zugegebenermaßen damals noch unbewusst. Bei der Überarbeitung des Buches habe ich einige dieser zusätzlichen "Points-of-view" wieder entfernt. Zumindest diejenigen, welche für den Fortschritt der Geschichte nicht unbedingt notwendig waren.
  • Am aufwändigsten aber vielleicht auch interessantesten ist es, mehrere Personen zu begleiten. Dies bedeutet gleichzeitig, dass die unterschiedlichen Handlungs- und Denkmuster konsequent beibehalten werden müssen. Es müssen klar unterscheidbare "Denk-Stimmen" der Figuren vorliegen. Außerdem muss sichergestellt sein, dass jede der begleiteten Figuren anhand der ihr zur Verfügung stehenden Informationen nachvollziehbar (sei es rational oder emotional) reagiert. Dabei dem Leser nicht innerhalb weniger Seiten bereits alle wesentlichen Informationen zukommen zu lassen und damit die mögliche Spannungskurve zu einer flachen und horizontalen Linie verkommen zu lassen, ist aus meiner persönlichen Sicht nicht einfach. Ich habe diese Erzählvariante (mit drei begleiteten Hauptfiguren) erst ein Mal gewählt, und zwar für das Buch "Zeitarena" (Arbeitstitel). Nach der Überarbeitung von "Vierjährling" werde ich "Zeitarena" erst im zweiten Halbjahr 2015 erneut anfassen. Ich weiß aber jetzt schon, dass es wieder eine Herausforderung sein wird, mich in die drei Charaktere hineinzudenken und ihre Art der Beobachtung und des Denkens sauber voneinander zu trennen. Somit würde ich diese Erzählsicht auf keinen Fall für das Schreiben eines ersten Buches empfehlen.

Beim Buch "Freizeitpark" bin ich zur "Personalen Erzählsituation" mit einer einzigen begleitenden Person zurückgekehrt. Dies nicht aus Faulheit nach der durchaus interessanten Erfahrung mit "Zeitarena", sondern weil es bloß eine einzige Hauptfigur gibt. Eine andere Erzählperspektive macht ganz einfach keinen Sinn.

 

Quelle Bild: https://www.blendspace.com/lessons/UiK4tO2B-L6B3g/ri-rl-5-6-point-of-view

 

 

Damit bin ich dann auch schon bei der Quintessenz dieses Beitrags: Die Erzählperspektive einer Geschichte hat einen wesentlichen Einfluss auf den Erzählverlauf und muss basierend auf der Storyline für jedes Buch gezielt gewählt werden. Ansonsten kann es passieren, dass mitten im Schreibprozess festgestellt wird, dass die bisher genutzte Erzählweise nicht zu der mal angedachten Darlegung der Story passt.

 

So, sollte nun noch einer von Euch Interesse an einer nicht so persönlich gefärbten Darstellung der Erzählperspektive haben, der sollte diesen Artikel lesen.

 

Hier außerdem noch der Versuch einer Entscheidungsstruktur zur Erzählperspektive einer anderen Webseite.

Quelle Bild: http://www.you-think-too-much.com/writing-thoughts/whose-story-is-this-anyway-my-obsession-with-point-of-view/

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